„Die Luft wird für die Täter dünner“

W. Marsand -Beim Herren-Mode-Ausstatter Paulsen wurde fünfmal eingebrochen

„Die Luft wird für die Täter dünner“.

Einbruchserie hält Polizei und Politik in Atem.

Es sind verstörende Eindrücke, die sich beim Einkaufsbummel in der Neugrabener Marktpassage dieser Tage auftun. Alle Nase lang kann man eingeschlagene Schaufensterscheiben sehen. Die beschädigten Fenster sind zum einen provisorisch mit Holzplatten gesichert. So wie beispielsweise beim Herren-Modeladen „Paulsen“. Hier wurde seit dem 13. Dezember 2019 fünfmal eingebrochen – zuletzt Anfang Januar. An einem Wochenende suchten die Täter das Geschäft zweimal auf. Auch die gegenüberliegende „HC Parfümerie“ wurde binnen kurzer Zeit schon dreimal von den Einbrechern heimgesucht. Die notdürftig mit Klebeband zusammengehaltenen geborstenen Scheiben künden von der rohen Gewalt, die die Täter bei jeden ihrer Einbrüche anwendeten. Nicht weit davon entfernt liegt der Tabakladen Kähler – auch hier schlugen die Täter schon zu. Bei den Geschäftsleuten im Neugrabener Zentrum geht die Existenz-Angst um. Es ist die Furcht vor neuen Einbrüchen, die angesichts der Vielzahl der Taten nicht unbegründet erscheint. Die betroffenen Geschäftsleute verweisen auf die horrenden Kosten für die Behebung der Schäden. Sie befürchten, dass die Versicherungen angesichts der zahlreichen Einbrüche ihre Verträge kündigen oder erheblich verteuern könnten. Dazu kommen Wut und Ohnmacht über das dreiste Vorgehen der jungen Kriminellen, die laut jüngsten Medienberichten teilweise einen russischen oder baltischen Hintergrund haben. Es sind in der Regel Jugendliche oder Heranwachsende, aber auch 13-jährige Kinder, die nach dem Gesetz noch nicht strafmündig sind. Die Geschäftsleute schütteln mit dem Kopf, wenn sie hören, dass die jugendlichen Einbrecher nach der Tat auf freien Fuß gesetzt werden und danach wieder einen Bruch begehen. Schnell wird in der Öffentlichkeit Kritik an der Polizei laut, die angeblich ihrer Aufgabe nicht gerecht wird. Der Ruf nach privaten Sicherheitsdiensten wird laut.
Vor diesem Hintergrund suchte der Neue RUF das Gespräch mit dem Polizeikommissariat 47 Neugraben (PK 47). Mit von der Partie war der 1. Vorsitzende des Fördervereins Neugraben, Peter Bobeck. Ihm gegenüber saßen der Leiter des PK 47, Uwe Rehmke, der Leiter Prävention und Verkehr, Gerd Schröder, und der stellvertretende PK 47-Leiter, Axel Paust. Die drei Beamten betonen immer wieder, dass die Einbruchserie direkt vor ihrer Haustür höchste Priorität habe. „Es würden alle rechtlichen Maßnahmen, die denkbar seien, ausgeschöpft. Man wird jederzeit Präsenz zeigen. Die Luft wird für die Täter dünner“, erklärt Remke. Dieser betont, dass die Täter keine Unbekannten wären. Die Polizei wüsste eine ganze Menge über sie. Die straffällig gewordenen Jugendlichen würden sich beispielsweise aus Kita, Sportverein und vor allem der Schule kennen. Sie kämen überwiegend aus sozial schwachen Milieus. Die Eltern seien mit der Erziehung ihrer pubertierenden Kinder überfordert. Die Jugendlichen wären in der Vergangenheit durch Schulschwänzen, Herumstreicherei und Ladendiebstähle schon auffällig geworden. Sie kämen größtenteils aus der Neugrabener Region. Es handele sich um eine Gruppe von zehn bis 15 Personen, listete Rehmke auf. Zur Wahrheit gehöre aber auch, so Rehmke, dass man in einem Rechtsstaat Jugendliche schwierig in Haft bringen könnte. Die Jugendlichen, so Remke, verfügten beispielsweise über einen festen Wohnsitz, es bestehe keine Fluchtgefahr. Vor diesem „Hintergrund sei es in Hamburg schwer, einen Haftbefehl zu bekommen. „Wir haben keinen Haftgrund“, sagt Paust klipp und klar. Also gibt es keine Handhabe? Schröder verweist darauf, dass die Polizei in Neugraben im Gegensatz zu anderen Stadtteilen noch extra über eine gesonderte Jugendabteilung verfüge. Seine Kollegen würden das Gespräch mit den Eltern und ihren Kindern zuhause suchen. „Unsere Kollegen kommen da schon ran“, versichert der Beamte. Rehmke fügt hinzu, dass sich jetzt auch die Landesjugendbeauftragte mit der Einbruchserie befasse. Rehmke erklärte, dass er den Zorn der Geschäftsleute und der Bevölkerung verstehe, aber dieses spezielle Problem wird man mit den zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln auf die Reihe bekommen.
Die Einbruchserie im Neugrabener Zentrum findet ihren Nachhall auch in der Politik. „Die mögliche Entwicklung von kriminellen Bandenstrukturen alarmiert mich. Als Bürgerschaftsabgeordenter vor Ort setze ich mich für eine schnelle Aufklärung der Einbruchserie und der Hintergründe der Taten ein. Ich habe den rot-grünen Senat um eine verbindliche Auskunft zum Hintergrund der Tatverdächtigen ersucht und zudem angefragt, welche Möglichkeiten es zur sicheren Unterbringung straffälliger Jugendlicher gibt“, teilte der CDU-Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft, André Trepoll, mit. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD in der Bezirksversammlung Harburg, Holger Böhm, zeigte sich erschüttert, dass die Jugendkriminalität so stark nach Neugraben Einzug gehalten habe. Es gehe nicht an, dass die Geschäftsleute an den Rand ihrer Existenz gebracht werden. Die SPD habe einen Berichtsantrag eingebracht, um zu wissen, was Stand der Dinge sei. Danach wolle man mit allen zuständigen Stellen darauf drängen, dass ganz massiv gegen diese negative Entwicklung eingeschritten wird, so Böhm.